| Was wäre wenn...
Eine Welt ohne Klebstoffe

Ohne Klebstoff bleibt die Sohle auf der Strecke.
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Klebstoffe sind schon eigentümliche Helfer. Meist wirken sie im Verborgenen
(wie zum Beispiel bei den Verpackungen für Säfte) oder wir nutzen sie wie
selbstverständlich - etwa an der Briefmarke oder beim Tesafilm. Richtig
auffällig werden sie erst dann, wenn sie nicht so gut halten, wie wir uns
das vorstellen: Wenn zum Beispiel der geklebte Henkel an der Porzellantasse
nach einigen Spülmaschinengängen wieder abgeht.
Das Gedankenexperiment "Was würde eigentlich passieren, wenn es von einem
Moment auf den anderen keine Klebstoffe mehr gäbe" macht deutlich, dass wir
es im Alltag fast überall mit Klebstoffen zu tun haben.
Beispiel Architektenbüro
Dem Architekten geht bei der Arbeit der Klebstoff aus. Die
Vorstellung, dass es nun "im ganzen Haus keinen Klebstoff mehr" gäbe, regt
seine Fantasie gehörig an:
Klar, der Klebestift ist wirklich leer. Sonst gibt es aber auf dem
Schreibtisch keine Hinweise dafür, dass viel passieren würde. Oder doch?
Die gelben Haftnotizen liegen nunmehr als Zettelstapel lose aufeinander.
Und als er versucht, etwas Tesafilm abzurollen, kommt ihm die ganze Rolle
entgegen.

Chaos im Kühlschrank. Kein Tetrapak hält mehr dicht und ohne
Etiketten auf den Marmeladen-Gläsern muss man schon genau hinsehen, wenn
man die richtige Sorte auf Anhieb erwischen will.
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Langsam ahnt der Architekt, dass noch Schlimmeres passieren könnte. Sein
Blick schweift durchs Zimmer und rumms: Er hätte das schöne Bild vom
Sonnenuntergang hinter dem Kölner Dom besser doch nicht mit einem
Klebehaken aufhängen sollen. Er will sich den Scherbenhaufen ansehen, doch
auf dem Weg dahin stolpert er. Seine Schuhsohlen lösen sich.
Zur Beruhigung einfach eine Zigarette anzünden? Ist eh' ungesund - aber
ohne Klebstoffe findet er in seiner Schachtel nur ein großes Durcheinander.
Die Blättchen haben sich geöffnet und die Filter liegen einzeln herum. Dann
halt einen Kaffee - denken sie? Tja, wenn die Papptüte aus dem
Dritte-Welt-Laden nicht geklebt wäre, hätte unser Architekt sich vielleicht
einen Kaffee machen können. So landet das
braune Pulver auf dem Kühlschrank, aus dem es schon verdächtig rumort.
Jetzt geht alles ziemlich schnell: Als er die Türe öffnet, verabschiedet
sich gerade die geklebte Türdichtung und es fließt ihm ein Mischmasch aus
Milch und Orangensaft entgegen. Die geklebten Tetrapaks können die
Getränke nicht mehr halten.
Kurz danach kippt ihm die Innenwand der Türe entgegen. Sie ist mit einem
Kleber befestigt, der gleichzeitig isoliert.
In dem großen Chaos fliegen ihm einige Blätter entgegen. Die geleimten
Taschenbücher zerlegen sich zuerst in ihre einzelnen Seiten und dann
zerfallen sie zu Cellulose. Auch das Regal macht nicht mehr mit. Die
geklebten Press-Spanplatten zerbröseln und zu guter Letzt fallen auch noch
die Tapeten von den Wänden...

Das Architektenbüro im WDR-Fernsehstudio. Damit das Chaos immer zur
richtigen Zeit ausbricht, waren viele helfende Hände nötig.
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Eine Welt ohne Klebstoffe? - Undenkbar...
Undenkbar auch, dass dieser Film ohne Klebstoffe hätte produziert werden
können. Ständig wurde geklebt: Ob es nun die schiefen Sohlen waren, die
wieder an den Schuh geklebt wurden, das Ende vom Tesafilmstreifen, damit es
sich nicht zu früh selbstständig macht, der Boden von der Kaffeetüte, damit
der Kaffee genau zur richtigen Zeit herausfällt oder der Henkel von der
Kaffeemaschine, damit er schön schief an der Kanne hängen kann...
Axel Bach, Fotos Martin Rosenberg
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